Ein großer Bau. Nahezu riesig für diesen beschaulichen Ort. Viele Schätze sind hier zu finden, vom Taufstein, dem ältesten Stück aus dem Jahr 1050, bis hin zu tollen biblischen Fensterdarstellungen wie der Sturmstillung auf der Südseite.
Etwas anderes fällt aber auch sofort auf. Vielleicht auch, weil sie anders aussieht, als man sie für gewöhnlich kennt. Frieden und Zuversicht strahlt sie aus. Ecken und Kanten hat sie – die Osterkerze im Altarraum. Hier geht´s direkt zu den Bildern 2019
Sie ist etwas ganz besonderes, eben auch, weil sie nicht gekauft und anders ist.
In einem ökumenischen Projekt werden sie und die Kerze der evangelischen Paulusgemeinde von Mitgliedern beider Kirchengemeinden am Karfreitag auf dem Friedhof gegossen.
Bereits morgens um 7:00 Uhr macht sich die erste Schicht bei Wind und Wetter auf den Weg. Im Vorfeld werden alle Gemeindemitglieder aufgefordert Wachs zu sammeln und in der Kirche abzugeben. Dieses Wachs wird dann nach Farben sortiert und eingeschmolzen. Ein Team Ehrenamtlicher entscheidet über den Farbverlauf und sortiert elf verschiedene Farben.
Dabei wird nichts dem Zufall überlassen. In den vergangenen Jahren ist dieses Gießen immer weiter verfeinert worden, genaue ml-Angaben, ein ausgetüfteltes System, viele fleißige Hände und ganz viel Herzblut sorgen dafür, dass diese Kerze so hier steht.
Das im Vorfeld sortierte Wachs wird nun wieder nach und nach eingeschmolzen, und dann in die Erde des Friedhofs gegossen. Jede Schicht muss dabei 20 Minuten aushärten, erst dann kann die nächste Schicht gegossen werden. Bis in den frühen Nachmittag hinein sind viele Menschen damit beschäftigt, hier und da kommen andere Gemeindemitglieder vorbei. Auch die Kommunionkinder sind beim Gießen beteiligt. Es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre auf dem Friedhof, friedlich, zuversichtlich trotz aller Kälte an diesem Tag.
Jetzt hat die Kerze Zeit um Auszuhärten. Am Karsamstagmorgen wird die Kerze aus der Erde geborgen, ein ganz besonderer Moment.
Niemand kann genau sagen, ob es funktioniert hat. Immer mal wieder hätte beim Gießen Wachs in einem Erdverlauf verschwinden können. Erst jetzt beim Ausgraben würde sich zeigen, ob alles geklappt hat und ob die Kerze nicht bricht. Bisher musste die Reservekerze nicht genutzt werden.
Dann folgt ein langer Reinigungsprozess. Mit Zahnbürsten, Stricknadeln und weiterem Werkzeug wird begonnen die Kerze sauber zu machen aber die Struktur zu erhalten.
Viel Zeit braucht diese Kerze und sie lebt von dem Herzblut, dass viele Menschen geben.
Bis zum Entzünden sind es nun noch ein paar Stunden. Dies geschieht sehr feierlich. Die beiden Kerzen werden am Abend der Osternacht von der evangelischen Pastorin und dem katholischen Pfarrer am Friedhof abgeholt und mit Fackeln zum gemeinsamen Osterfeuer an der Gartenstraße gebracht. Dort werden beide Kerzen entzündet und feierlich in ihre Kirchen getragen, wo die Gemeinden ihre Osternacht feiern. Diese Osterkerze ist ein Zeugnis für ein lebendiges Gemeindeleben in dieser alten, historischen Kirche. Jonas Hensel hat den Prozess des Gießens auf einigen Bildern festgehalten.